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Männer - Frauen Dialoge verstehen - ein Buch von Deborah Tannen

Juli 2006

Im Urlaub habe ich ein interessantes Buch gelesen: "Du kannst mich einfach nicht verstehen - Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden" von Deborah Tannen. Frau Tannen ist Professorin für Linguistik, beschäftigt sich aber nicht mit Gramatik und anderen Sprachen, sondern mit dem täglichen Dialog in der Familie. Und dabei ist sie, was die Kommunikation zwischen den Geschlechtern betrifft, zu einer Reihe von Beobachtungen gekommen, die mir die täglichen Missverständnisse zwischen Männern und Frauen leichter verständlich machen. (Ihr neuestes Buch ist übrigens über die Kommunikation zwischen Müttern und Töchtern, ein weiteres Minenfeld).

Die meisten Männer und Frauen halten den Kommunikationsstil des anderen Geschlechts für ziemlich verwirrend und unverständlich. Das ist aber alles viel einfacher zu verstehen, wenn man ihrer Analyse folgt. Und dieses Verständnis kann (hoffentlich) helfen, mit weniger Heftigkeit und Unverständnis auf die (in den eigenen Augen) oft verwirrenden Bemerkungen des anderen Geschlechts zu reagieren.

Ihre Hauptprämisse ist, dass (tendenziell, und Ausnahmen gibt es immer wieder) Männer von frühester Jugend darauf achten, welchen Status sie in einer Gruppe haben, Frauen beginnen schon im Kindergarten damit, Beziehungen zu anderen aufzubauen und zu pflegen. Sie zeigt in Dialogen aus dem Kindergarten, dass bereits die ganz kleinen schon das geschlechtsspezifische Kommunikationsverhalten sehr gut drauf haben. Ob dieses Verhalten genetisch verursacht ist, oder durch Erziehung, lässt sie weitgehend offen. Das ist auch für das Verständnis und für den Umgang mit diesem Verhaltensformen erst mal nicht so wichtig.

Diese unterschiedlichen (unterschwelligen und unbewussten) Zielsetzungen der Geschlechter führen oft dazu, dass die andere Person vollkommen unerwartet reagiert. Die folgende Tabelle gibt einige Beispiele des unterschiedlichen Kommunikationsverhaltens von Männern und Frauen.

MännerFrauen
Männer sind tendenziell eher status- und hierarchieorientiert. Sie fühlen sich wohl und sicher, wenn sie ihren Platz in der Gruppe einschätzen können. Wenn etwas an sie herangetragen wird, so prüfen sie zuerst, ob dies eine potentielle Bedrohung ihres Status sein könnten. Falls ja, reagieren sie mit Abwehr. Frauen sind tendenziell eher beziehungsorientiert. Sie fühlen sich wohl und sicher, wenn sie alle in der Gruppe harmonisch zusammenarbeiten und Statusunterschiede nicht zu deutlich werden. Sie reagieren auf jeden Versuch, die Harmonie zu stören, mit Abwehr.
Gespräche und Beziehungen zwischen Männer sind tendenziell eher asymetrisch strukturiert Gespräche und Beziehungen zwischen Frauen sind tendenziell eher symetrisch strukturiert
Fragen und manchmal auch neutrale Aussagen werden von Männern leicht als Kritik missverstanden, als ein Test, ob ihr Status und ihre Stellung auch gerechtfertigt ist. Fragen werden häufig von Frauen im Gespräch eingesetzt. Sie verwenden oft Fragen, um ihren Aussagen oder ihren Bitten die Schärfe zu nehmen.
- Männer verstehen nicht, dass ein Satz wie "möchtest du jetzt Rast machen?" keine Frage ist, sondern einen konkreten Vorschlag darstellt und mit der Gegenfrage nach dem Wunsch der Partnerin beantwortet werden sollte.
Männer sind tendenziell eher konfliktfreudig. Für sie ist das Leben ein ständiger Wettbewerb, wo immer sich eine neue Gruppe etabliert, z.B. bei einem Training im Unternehmen, muss in einer stilisierten Auseindersetzung der jeweilige Status festgelegt werden. Die meisten Männer lieben Spiele und Sportarten, in denen ein Sieger ermittelt wird. Und ein Konflikt, wenn er zu einer Rangordnung geführt hat, ist kein Problem mehr, man trägt sich die Auseindersetzung eher nicht nach. Männergruppen müssen nicht ausgrenzen, der Anführer in der Gruppe kann gar nicht genug Mitläufer haben, die ihren niedrigeren Rang akzeptieren und durch ihre reine Zahl seine Position stärken.
- Diese Konfliktfreudigkeit wird von Frauen leicht als Streitlust und Angriff verstanden.
Frauen sind tendenziell eher auf Harmonie aus. Konflikte und Statuskämpfe werden vermieden, oder zumindest nicht offen ausgetragen. Ein höherer Status in der Gruppe entsteht durch den Aufbau eines stärkeren Beziehungsnetzes als das meiner Rivalin. Notfalls wird hinter ihrem Rücken über sie geredet und ausgegrenzt. Ein Gruppenmitglied, mit dem ein Konflikt besteht, gefährdet die Harmonie in der Gruppe.
- Dieses Aufbauen eines Beziehungsnetzes wird von Männern leicht als "sinnloses Rumschwätzen" verstanden.
Wenn Männer untereinander über ihre Probleme reden, so sind diese Gespräche eher lösungsorientiert, bzw. wenn es keine Lösung gibt, so schwächt der Gesprächspartner eher das Problem ab ("ich glaube nicht, dass du wirklich ein Alkoholproblem hast"). Das ist Trost in den Augen der Männer.
- Frauen sind oft irritiert, wenn der Gesprächspartner bei jedem ihrer Problem sofort mit einer Lösung kommt, bzw. das Problem abschwächt und damit in ihren Augen abtut. Sie fühlt sich nicht ernst genommen.
Wenn Frauen untereinander über ihre Probleme reden, so sind diese Gespräche eher verständnissorientiert und suchen Empathie, d.h. Mitgefühl. Die Gesprächspartnerin zeigt, dass sie das Problem versteht und stellt damit eine Verbindung her und das wirkt tröstend.
- Männer verstehen nicht, dass durch ihren Problemvorschlag das Thema nicht erledigt ist ("versuch doch mal meinen Vorschlag, wenn es nichts hilft, reden wir weiter"). Er fühlt sich nicht ernst genommen.
Die meisten Männer lieben die öffentliche Rede, dabei fühlen sie sich wohl. Dies ist einer der Mechanismen, wie erwachsene Männer ihre Statuskämpfe austragen. Öffentliche Reden dienen der Profilierung. Männer müssen zumeist nicht aufgefordert werden, einen Beitrag zu einem Thema zu leisten. Sie verwenden dabei einen berichtetenden Stil, der Fakten darstellt und wenig subjektives von sich selbst enthält, sie dozieren.
- Männer wundern sich, warum die Frauen nicht auch das Wort ergreifen, sie vermuten dann leicht, dass die Frau nichts zum Thema beizutragen hat - sonst hätte sie sich ja ins Gespräch eingebracht.
Frauen sind oft unsicher, was öffentliche Reden betrifft. Sie warten oft, bis sie aufgefordert werden, auch ihre Meinung dazu zu äußern. Ein Sich-Vordrängen könnte die Symetrie der Gruppe stören. Jeder sollte das gleiche Recht haben, etwas beizutragen, d.h. wir fragen reihum alle Teilnehmerinnen nach ihrer Meinung ab.
- Frauen wundern sich in der gemischten Gruppe, warum sie nicht auch nach ihrer Meinung gefragt werden, sie interpretieren dies als Desinteresse und Herabsetzung.
Männer sind oft unsicher, was private Gespräche betrifft. Dabei sind Aussagen zu sich selbst und dem Gesprächspartner gefragt, die potentiell leicht eine Gefährung von Status und Hierarchie darstellen könnten. Es werden Themen angerissen, über die sie sich noch keine Gedanken gemacht haben, die auf dünnes Eis führen könnten. Sie weichen diesen Gesprächen daher eher aus, weichen auf andere Themen aus oder geben kurze Antworten, die für die Frauen unbefriedigend sind und bei ihnen nicht das Gefühl hinterlassen, in einer engen und harmonischen Beziehung zu stehen. Die meisten Frauen lieben das private Gespräch, dabei fühlen sie sich wohl. Diese Gespräche stellen Verbindung her, stärken das Beziehungsnetz. Sie verwenden dabei ganz oft "wir" (bereits die kleinen Mädchen sagen "wir sollten jetzt Mutter-und-Kind spielen"). Sie erzählen sich von ihren Problemen und erwarten als Reaktion Mitgefühl und das Gefühl, verstanden worden zu sein. Wenn sie nach ihrem Befinden gefragt werden, so erfordert dies nach der Antwort die entsprechende Gegenfrage an die Gesprächspartnerin.
- Männer fragen oft nicht zurück, weil die Partnerin ja einfach erzählen könnte, was sie erlebt hat oder auf dem Herzen hat.
Männer neigen tendenziell eher zum Dozieren. Sie berichten über Fakten, stellen sie in einem umfassenden Zusammenhang dar und möchten dabei ausreden. Wenn sie unterbrochen werden, reagieren sie verwirrt und eher gereizt. Eine Unterbrechung wird leicht aus Angriff auf ihre Autorität betrachtet.
(Bei dieser Fragestellung ist die Abgrenzung zwischen Männern und Frauen nicht so klar, wie bei einigen anderen, auch bei Männern gibt es stark engagierte Sprecher, die zu einem "überlappenden Dialog" tendieren. Dieser "überlappende Dialog" kann kooperativ sein, wenn die Worte des anderen bestärken, oder er kann frustrieren, wenn der andere immer wieder neue Themen einführt.)
Die meisten Frauen finden es nicht schlimm, wenn während sie sprechen, die Gesprächspartnerin eine bestätigende Bemerkung macht und auf diese Weise oft ein "überlappender Dialog" stattfindet. Dies wird dann nicht als Unterbrechung, sondern als Bestätigung und Ermutigung des Berichts empfunden.

Das sind die grundsätzlichen Tendenzen und Ausnahmen gibt es reichlich, z.B. Menschen, die hauptsächlich mit Menschen des anderen Geschlechts groß geworden sind und sich dabei einen anderen Kommunikationsstil angewöhnt haben. Aber ich denke, diese Ansätze können doch viele der üblichen Missverständnisse aufdecken helfen.

 

Gespräche als sportlicher Wettbewerb



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